Multiple Sclerosis Living Lab Dresden

Leitung: Dr. Anja Dillenseger (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.)

Digitale Innovationen nehmen in allen Bereichen der Wirtschaft zu und werden zunehmend auch für die Gesundheitsversorgung interessanter. Leider wurden bisher viele dieser Innovationen im medizinischen Sektor entwickelt, ohne die eigentlichen Nutzer, nämlich Patient*innen sowie das medizinische Personal, zu involvieren. Da diese Innovationen aber genau von diesem Personenkreis später genutzt werden sollen, führt dieses Vorgehen meist dazu, dass nur ein unzureichender Mehrgewinn für Patient*innen und Gesundheitsdienstleistende erzielt wird und diese Innovationen in der Folge nicht genutzt werden. Daher müssen Innovationen gerade im digitalen Bereich unter frühzeitiger Einbindung der späteren Nutzerschaft entwickelt und möglichst von Letzteren kontinuierlich auch in der Entwicklung begleitet werden.

Das Multiple Sklerose Zentrum (MSZ) Dresden hat diesen Aspekt frühzeitig erkannt und ist seit vielen Jahren internationaler Innovator sowohl für die Versorgung von MS-Patient*innen als auch für die Erforschung dieser leider immer noch unheilbaren Erkrankung. Dabei gelang es dem MSZ in herausragender Art und Weise, eine Vielzahl an Innovationen sowohl für die Versorgung als auch die Forschung in Dresden zu implementieren. Um insbesondere digitale Innovationen in Zukunft weiter optimal von der Forschung in die Versorgung zu transferieren und dabei gleichzeitig die zukünftigen Nutzer mit einzubinden, entstand im letzten Jahr innerhalb des Zentrums für klinische Neurowissenschaften als weiteres Leuchtturm-Projekt das MS Living Lab.

Living Lab ist die Bezeichnung für ein sogenanntes Reallabor, das heißt, ein Labor mitten im Leben, mitten in der Praxis. Dabei geht es um die Schaffung einer engen Symbiose zwischen den Anwendungsfeldern von medizinischer Versorgung und Forschung sowie den verschiedenen Akteursgruppen zur Gestaltung innovativer nachhaltiger Lösungen im realen Versorgungskontext. Von Anfang an steht die partizipative Einbindung von Nutzern, d. h. von Patient*innen und medizinischem Personal, im Vordergrund. Eine experimentelle Konzeptentwicklung zur offenen Ideengenerierung sowie eine prototypische Umsetzung und Evaluation im Anwendungsfall bieten dabei vielfältige Möglichkeiten zur sog. Co-Kreation.
Die Positionierung des MS Living Labs mitten ins MS-Zentrum Dresden ermöglicht eine kontextsensitive Entwicklung in realen Nutzungssituationen, die ein profundes Verständnis über den Nutzungskontext ermöglicht und damit auch eine langfristige Evaluation sowie den Anstoß von längerfristigen Lernprozessen möglich machen. Letztlich erhöht die Schaffung eines MS Living Labs die Chancen, Innovationen in geeigneter Form den Zugang in die Versorgung zu ermöglichen und steht gleichzeitig für wissenschaftliche Nachhaltigkeit in der klinischen Forschung und Versorgung.

Ein Anwendungsszenario, das zurzeit im Rahmen des MS Living Lab Dresden umgesetzt wird, ist die Implementierung einer Sprachanalyse in das Monitoring von MS-Patient*innen. Zusätzlich zu den vielfältigen Symptomen bei Multipler Sklerose gibt es Hinweise darauf, dass sprachliche Fähigkeiten ebenfalls beeinträchtigt sind und wahrscheinlich auch das häufigste Symptom der Multiplen Sklerose, die Fatigue bzw. Müdigkeitssymptomatik, sich auf die Sprache auswirken können. Eine automatisierte Sprachanalyse könnte also dazu dienen, dieses Symptom zu identifizieren und zu quantifizieren. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf eine gegenseitige Beeinflussung von Sprache bzw. Sprechen und Kognition sowie Depression, so dass auch diese häufig bei MS auftretenden Symptome gemessen werden könnten. Der Charme der Sprachanalyse im MS Living Lab Dresden liegt darin, dass die Patient*innen mit Hilfe eines Tablets in der normalen klinischen Praxis Sprachübungen selbständig unter Supervision durchführen und die Ergebnisse automatisch in die digitale Infrastruktur übermittelt werden können. So kann die Sprachanalyse in das MS Monitoring integriert werden, wodurch  Symptome frühzeitig erkannt, therapeutisch adressiert und deren Entwicklung erfasst werden kann. Wie diese oder auch andere Innovationen sich zukünftig in die klinische Praxis integrieren lassen, kann ebenfalls mit Hilfe des MS Living Lab Dresden erforscht werden.

In Zukunft soll das MS Living Lab durch Kooperationen mit Partnern aus Industrie und Forschung wachsen und durch zunehmende Strukturierung und Standardisierung die Erforschung und Translation von Innovationen erleichtern. Das Zentrum für Klinische Neurowissenschaften ist daher auf der Suche nach interessierten Kooperationspartnern, die sich gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Dresden in diesem innovativen und spannenden Projekt MS Living Lab engagieren wollen.